Textatelier
BLOG vom: 05.03.2006

Schnee im März. Viel weisser Schnee! Wegräumen? Geduld!

Autor: Walter Hess
 
Unsere Haustüre öffnet sich nach innen, wie es sich gehört – ein Willkommensgruss für Eintretende. Doch vor dem Vorraum ist eine Aussentür mit Glasfüllung, die sich nach aussen dreht. Und das hat sich gerade als sinnvoll erwiesen. Denn sie wirkt wie ein Schneepflug und war nicht ganz zu öffnen. Eine Schneemauer bremste.
 
So etwas habe ich hier in Biberstein während der 34 Jahre, die wir hier verbracht haben, nicht erlebt: Rund 50 cm Schnee (in der Höhe, nicht in der Breite). Ein schöner Anblick. Alle Aussenlampen, Tische und Gartenstühle tragen Hüte, und man dürfte eigentlich nicht eingreifen, ansonsten die weisse Decke beschädigt wird.
 
Ich weiss das, konnte es dennoch nicht unterlassen, habe den Schneeschieber hervorgeholt und der winterlichen Pracht meinen eigenen Stempel aufgedrückt – vom ästhetischen Standpunkt aus reiner Dilettantismus, eine Verschandelung. Man entfernt den Schnee von dort, wo man üblicherweise zirkuliert (als ob man die Füsse nicht etwas anheben und schneestapfen könnte), baut Walme auf, wo es gerade Platz hat und nicht etwa dort, wo ihre Wirkung am schönsten wäre. Ich rechtfertigte dieses frevlerische Tun mit Muskeltraining. Ich spürte wieder einmal ein bisschen, dass ich einen Rücken habe, zum Glück einen gesunden.
 
Unsere menschliche Kraft ist sehr bescheiden., so dass sich die Eingriffe mit dem handwerklichen Winter-Werkzeug in Grenzen halten. Unsere umwelt- und wertebewusste Nachbarin Lislott hat den amtlichen Schneeräumern eingetrichtert, sie brauchten mit ihrem schweren Gerät nicht zu uns ans Ende der Sackgasse zu fahren, weil sonst der dünne Asphalt-Deckbelag unseres Rebwegs, ein Privatsträsschen, zusätzlich beschädigt würde, und weil dann die Kinder ums Wintervergnügen geprellt würden. Die Kinder bauen Schneehäuser und werden dann mit der Vergänglichkeit konfrontiert. Und so sind wir von der Umwelt abgeschnitten, wenigstens automässig. Das ist eine schöne Sache. Hoffentlich bleibt es einige Tage so. Aber bereits taut es.
 
Wieso eigentlich können wir nicht auf Tauwetter warten und zusehen, wie der Schnee schmilzt? Wieso sollen wir nicht neue Lebensgefühle geniessen, wenn wir eingeschneit sind und mit dem Auto kein Durchkommen ist? Ist es nicht wunderbar, dass der (wahrscheinlich zu 95 %) unnütze Verkehr behindert oder teilweise ganz unterbunden ist. In Zürich und Basel kam heute sogar der Tramverkehr zum Erliegen. Eine Chance für die Renaissance der Fussgänger. Schade, dass es Schneeräumungsmaschinen gibt.
 
Wir haben hier in Biberstein noch richtig weissen, jungfräulichen Schnee und sollten zu ihm Sorge tragen. Das ist in dichteren Agglomerationen anders. Ich war am Freitag in der Stadt Solothurn. Dort war der in der Nacht gefallene Schnee zu Matsch umgewandelt und grauschwarz. Zwischen den Fugen der Pflästerung, wo sie zum Vorschein kam, lag fasnächtliche Konfetti in knalligen Farben in Mengen, zum Teil auch solche aus glitzernden, unabbaubaren Folien – eine Umweltbelastung, weil man meint, das habe etwas mit Jubel, Trubel, Heiterkeit zu tun.
 
Die eigentlichen Werte sind anderswo. Etwa hier in Biberstein, wo der Schnee weiss ist, bis er wegschmilzt und reines Wasser hinterlässt. Wenn er von selbst geht, hat er seine Pflicht getan. Ich habe meine Schneeschaufel jetzt definitiv versorgt.
 
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